5. Juli 2021

„Vertrauen ist die stillste Art von Mut“

Sabine Felgitsch

Sabine Felgitsch
seßhaft geworden in St. Margarethen/Raab, Individualpsychologische Beraterin, Vortragende, Autorin, leidenschaftliches Gemeinschaftswesen und feinfühlige (Patchwork-) Mama von 5 gemeinsamen Kindern

Ich bin dabei vielen Ängsten begegnet. Damals bedeutete Mut für mich: trotz dieser Ängste die Dinge tun, die ich tun wollte. Ich wollte emotional nicht vertrocknen. Ich musste auf sehr radikale Art und Weise lernen, mir selbst zu vertrauen. Das bestärkte mich in dem Gefühl, die Kontrolle über mein eigenes Leben zu haben. “Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt.”
Krisen und traumatische Erfahrungen bringen auch die Möglichkeit mit, über sich selbst hinauszuwachsen. Solche Ereignisse in meinem Leben waren der Unfalltod von drei mir sehr ans Herz gewachsenen Menschen und die Suizide von zwei jungen Frauen, mit denen ich sehr vertraut gewesen war. Solche Ereignisse bleiben immer Wunden. Und gleichzeitig haben sie mein Leben intensiver gemacht. Die Tatsache, dass ich den Tod letztlich als schmerzlichen Teil des Lebens anerkennen musste und wollte, gibt mir Mut. Es ist einerseits ein „Mut zur Endlichkeit“ und andererseits bedeutet es für mich eine Entlastung: ich muss mich nicht andauernd vor anderen beweisen. Ich muss mich nicht drängen, ich muss mich nicht quälen.
„Man muss Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben…“ schreibt Rainer Maria Rilke. Ich versuche, so gut es geht, mit unbeantwortbaren Fragen zu leben: weil ich das Leben selber so lieb hab. Weil ich mich so freue, am Leben zu sein. Weil ich für vieles in meinem Leben so dankbar bin. Das wiederum gibt mir Mut, zu vertrauen: Es war irgendwo immer plötzlich Hilfe da, von innen, von außen, ein rechtes Wort, ein Mensch, ein Buch, ein Freund, ein Lichtstrahl, ein Regenbogen, ein Baum… so viel Hoffnung. Ich bin in vielerlei Hinsicht für manche ein Mensch, der gegen den Strom schwimmt. Aber eigentlich will ich mit dem Strom schwimmen: ich versuche, den Mut zu haben, mich tragen zu lassen, mich selber aus-zu-halten, still zu werden, zu vertrauen. Es wird gut. Auch, wenn es nicht gut wird. Das Wörtchen „und“ ist dabei von essentieller Bedeutung.
Es ist ermutigender, die Spur des Gelingens aufzunehmen. Hier liegt auch der Mut zur Selbstbestimmung: ich entscheide mich für dieses Leben und fürs Jetzt. Für das „Und“! Es gibt so viel zu tun auf dieser Welt! Ich betrachte Schwierigkeiten in meinem Leben als Möglichkeit, meine Kräfte zu bündeln und zu schauen, wie weit ich gehen kann und will. Ich weiß auch, dass ich bis jetzt viel Glück hatte in meinem Leben. Ich fühle mich sehr beschützt und geborgen. Es gibt so viel Leid auf dieser Welt. Darum ist ja auch das Verzeihen und Vergeben können so wichtig. Dafür braucht es auch viel Mut. Das wünsche ich mir für uns alle.